KELAINAI - APAMEIA KIBOTOS

Die berühmten Wasserquellen spielten für das Leben in Apameia eine zentrale Rolle. Marsyas und Mäander, die beiden größten der im Stadtgebiet liegenden Quellen, wurden wie Gottheiten verehrt, was neben der literarischen Überlieferung auch durch Münzabbildungen bestätigt ist. Da die Quellen in den antiken Ortsbeschreibungen als wichtigste Bezugspunkte fungieren - so etwa im Zusammenhang mit dem Palast des Xerxes, dem Palast von Kyros dem Jüngeren sowie der klassischen Agora - kommt ihrer Lokalisierung für die Rekonstruktion der antiken Stadttopographie große Bedeutung zu. Aus diesem Grund widmeten sich auch die ersten Erforscher der Stadt im 19. Jh., von Arundell bis Ramsay, mit besonderem Interesse dieser Fragestellung. Sie schlugen für die diversen Wasserläufe unterschiedliche Zuweisungen vor. Allein hierin zeigt sich bereits die Komplexität dieser Fragestellung, zumal sich durch die seismische Aktivität des Untergrunds die hydrogeologischen Gegebenheiten in der Vergangenheit stark geändert haben.

Um diesen wichtigen Fragen gezielt nachgehen zu können, führten wir zusammen mit Spezialisten hydrologische und hydrographische Studien der gesamten Gegend durch. Die vorläufigen Ergebnisse stimmen bereits optimistisch, da hiernach die wesentlichen Veränderungen in der Landschaft erst im Lauf der letzten ca. 30 Jahre durch Menschenhand verursacht wurden. Zuvor bestand noch eine Situation, die der antiken sehr ähnlich war.


Die Quelle des Marsyas

Die frühere Quelle des Marsyas lag mit größter Wahrscheinlichkeit hinter dem Suçıkan-Hotel, wo sich heute eine große trockene Grotte befindet, deren Felsoberflächen vom Wasser abgeschliffen sind und deren Wasserdruck einstmals ausgereicht haben muss, um schwere Steine zu bewegen. Die Öffnung der Grotte liegt etwa 5 m hoch, so dass sich das Wasser in einer Kaskade hieraus ergoss. All diese Gegebenheiten korrespondieren mit den Beschreibungen von Herodot (7.26), Xenophon (Anab. 1.2.7 – 1.2.9) und Theophrast (apud Plin. 31.19). Andere Grotten in der näheren Umgebung  kommen aufgrund ihrer geologischen Eigenheiten nicht für eine Identifikation mit der Marsyasgrotte in Betracht. Bereits im 19. Jh. befand sich die Marsyasquelle nicht mehr in der Grotte, die in den Reiseberichten auch nirgends erwähnt ist, sondern in der Nähe auf einem tieferen Niveau (Der Wasserfall, der gegenwärtig neben dem Hotel sprudelt, ist eine moderne Installation, für die das Wasser einer anderen Quelle mit Pumpen hierher geleitet wird.). Die Verlagerung der Quelle steht zweifellos mit dem allgemeinen Absinken des Grundwasserspiegels in der Region in Zusammenhang. Die Veränderung ist nicht zu datieren und kann bereits in der Zeit des Hellenismus erfolgt sein – zumal die Grotte in den späteren Beschreibungen der Marsyasquelle keine Erwähnung mehr findet. Die Zuordnung der Quelle an die Grotte unterstützt die Hypothese, nach der der befestigte Palast des Xerxes auf dem sog. Suçıkan-Felsen stand und die von Herodot erwähnte Agora an seinem Fuß.


Die Quelle des Mäander

Die antike Mäanderquelle konnte ohne Schwierigkeiten mit der heutigen Quelle des Şeyh-Arab-Su bei dem Dorf Bülüçalan identifiziert werden, wie es bereits Arundell vorgeschlagen und von Ramsay zugestimmt wurde – wenngleich dies nicht von Jedermann zur Kenntnis genommen wurde. Einige Reisende des 19. Jhs. erwähnen einen kleinen See namens Arapçik, aus dem der Fluss hervorginge. Doch ist dieser See nicht nur in anderen modernen Beschreibungen, sondern auch in den antiken Texten nicht erwähnt, so dass anzunehmen ist, dass der Grundwasserspiegel in dieser Region sehr schnell steigt und sinkt und der See dementsprechend erscheint und wieder verschwindet. Derzeit reicht das Grundwasser hier bis etwa 1 m unter die Erdoberfläche, so dass hier auch kein See liegt. Die Identifizierung mit der Quelle des Mäander führt dazu, hier den Palast von Kyros dem Jüngeren und seinen Paradeisos zu lokalisieren, wie es von Xenophon beschrieben wird. Danach soll der Palast in einem kleinen Tal gelegen haben, das mit der Senke zwischen den heutigen Dörfern Bülüçalan und Dikici zu bestimmen wäre. Von  Pollenanalysen aus den Ablagerungen des Arapçik-Sees versprechen wir uns spannende Informationen zur Entwicklung der Vegetation in dieser Mikroregion, nicht zuletzt zum paradeisos von Kyros dem Jüngeren.


Die Aulotrene

Als weitere Besonderheit des hydrogeologischen Systems der Gegend untersuchten wir die Aulotrene, einen See, der durch eine Hügelkette (heute Akdağ) von Apameia getrennt ist. Bereits aus der Antike ist überliefert, dass das Wasser des Sees in ein System von Karsthöhlen abfliesst, das den Untergrund der Hügelkette durchzieht,  und auf der anderen Seite der Hügel u.a. in Form der Quellen von Marsyas und Mäander wieder an die Oberfläche tritt. Nach Maximus von Tyrus (Diss. 2.8), der die Gegend in der 2. Hälfte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts besucht hat, bestand ein Heiligtum des Marsyas und des Mäanders an dem Ort, an dem das Wasser des Sees abfloss. Hier bestand der Brauch, Opfergaben ins Wasser zu werfen und den Namen der Gottheit auszusprechen, der das Opfer galt. Nach der Legende tauchten die Opfergaben an Mäander nach einiger Zeit an der anderen Seite der Hügelkette in der Mäanderquelle wieder auf, die Gaben an Marsyas  in der entsprechenden anderen Quelle und diejenigen Gaben, die an beide Gottheiten geopfert worden waren, fanden sich auf beide Flüsse verteilt wieder.

Der See der Aulotrene ist seit 1980 durch einen Damm von der Hügelkette abgeschnitten und sein Wasserstand ist gegenüber der Antike deutlich angehoben, so dass die Ruinen eines römischen Kastells, das einstmals am Ufer des Sees bei den Quellen des Pınarbaşı stand, heute überflutet sind. Heute wird das Wasser des Sees über ein Kanalsystem nach Dinar geleitet. Inzwischen ist es erwiesen, dass die antike Beschreibung zutrifft, nach der der See - bis zur Errichtung des Staudammes - unter der Hügelkette hindurch auf deren andere Seite entwässerte.

Zwei Gruppen vormaliger Abflüsse des Sees durch Karstlöcher waren bei der Aulotrene nachzuweisen. Die erste, im Norden gelegene, umfasst vier Öffnungen. Am Ende der 1980er Jahre wurden zum Nachweis für eine unterirdische Verbindung mit den Quellen des Suçıkan und des Bülüçalan Farbstoffe in die Karstlöcher eingeleitet, die dann auch tatsächlich nach ca. 5 Stunden bei Bülüçalan und nach 12 Stunden bei Suçıkan wieder an die Oberfläche traten. Damit erweist sich nicht nur die antike Überlieferung als stichhaltig, sondern auch die direkte Verbindung vom See zu den Quellen durch das System des karstigen Untergrunds fand ihren Nachweis. Die beiden südlich gelegenen Karstlöcher, sind ungleich besser erhalten als die nördliche Gruppe. Das Satellitenbild zeigt deutlich das heute vom See überflutete Bachbett, das  zur größeren Karstöffnung in der Grotte mit dem heutigen Namen Kokarsu führt. Hier sind durch die geomagnetische Prospektion auch die Reste zweier baulicher Anlagen auszumachen. Die Keramik weist hier in die römische Zeit. Vermutlich handelt es sich hier um das bei Maximus von Tyrus erwähnte Heiligtum, was jedoch nur durch eine gezielte Grabung Bestätigung finden könnte.

LEITUNG

Die Quelle des Norgas

Schematische Darstellung der Grundwasserverhältnisse im Bereich von Dinar

(A. Sidorchuk, 2009)

Eingang zur Grotte hinter dem Suçıkan-Hotel

Quelle bei Suçıkan im Jahr 1904

Das Tal zwischen den Dörfern Bülüçalan und Dikici

Der alte See Arapçık

Die Aulotrene mit dem Bett des einstmals absickernden Flusses

Die Grotte Kokarsu

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